Bingelkraut, Wald-

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Wald-Bingelkraut Mercurialis perennis ist eine schattenliebende Pflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse mit unscheinbaren Blüten und leicht giftigen Inhaltsstoffen. Dieser Artikel beleuchtet die Pflanze aus Sicht der instinktiven Rohkost.

Wissenschaftliche Namen: Mercurialis perennis
Synonyme: Ausdauerndes Bingelkraut, Stinkerich, Waldmanna, Wildhanf.

Systematik

  • Abteilung: Samenpflanzen Spermatophyta
  • Unterabteilung: Bedecktsamer Spermatophytina syn. Angiosperma
  • Klasse: Zweikeimblättrige Bedecktsamer Rosopsida syn. Dikotyledona
  • Ordnung: Malpighienartige Malpighiales
  • Familie: Wolfsmilchgewächse Euphorbiaceae
  • Gattung: Bingelkräuter Mercurialis
  • Art: Wald-Bingelkraut

Die Gattung Mercurialis enthält je nach Autor acht bis zehn Arten. In Europa ist neben dem Wald-Bingelkraut auch das Einjährige Bingelkraut Mercurialis annua heimisch.

Wald-Bingelkraut

Beschreibung

  • Vorkommen: Europa, Vorderasien.
  • Standorte: Wälder, insbesondere Buchenwälder, Gebüsche; feuchte, nährstoff- und basenreiche, lockere Böden; schattiger bis halbschattiger Standort; Stockstoffanzeiger.
  • Kennzeichen: Fünfzehn bis dreißig Zentimeter hohe, mehrjährige, krautige Pflanze; einfacher, vierkantiger Stängel (ohne Milchsaft!), im unteren Teil mit Schuppenblättern; Laubblätter wechselständig, deutlich gestielt, elliptisch bis länglich-eiförmig, vier bis zwölf Zentimeter lang, die oberen größer als die unteren, etwas zugespitzt, mit stumpfen Zähnen; getrenntgeschlechtlich, weibliche oder männliche, ährige Blütenstände, in den Blattachseln der oberen Stängelblätter stehend; Blüten klein, grün oder grün-gelblich, männliche Blüten mit einem Kreis von Blütenhüllblättern und acht bis fünfzehn weit herausragenden Staubblättern, weibliche Blüten ebenfalls mit einfacher Blütenhülle und zwei- bis dreiteiligem, oberständigen Fruchtknoten; Blütezeit: April bis Mai; Kapselfrüchte mit einsamigen Teilfrüchten, Fruchtreife Juni bis August; vegetative Vermehrung durch verzweigte Ausläufer.
  • Verwechslung: Besonders im Frühjahr, wenn sich die jungen Blätter noch nicht vollständig entfaltet haben, kann es zu Verwechslungen mit Giersch Aegopodium podagraria, Waldmeister Galium odoratum oder sogenannten "spinatähnlichen" Wildpflanzen kommen. Dazu gehören: Vogelmiere Stellaria media und Gänsefuß Chenopodium album.
    Typische Merkmale zur Unterscheidung:
    • Gegenständige Blattstellung (nicht wechselständig wie bei Giersch)
    • Länglich-eiförmige, leicht gezähnte Blätter
    • Unangenehm bitterer, stickiger Geruch beim Zerreiben
    • Dichter, niedrigwüchsiger Bestand in Laubwäldern mit nährstoffreichen Böden

Rohkosttipps und Erfahrungen

Das Wald-Bingelkraut ist giftig und nicht zum Rohverzehr geeignet. Alle Pflanzenteile enthalten toxische Inhaltsstoffe, insbesondere Alkaloide und Saponine, die Magen-Darm-Beschwerden, Erbrechen und Durchfall auslösen können. Schon kleine Mengen können gesundheitsschädlich sein. So wird schon der Geruch der Blätter als unangenehm bis widerlich empfunden und animiert nicht zum Probieren. Probiert man sie trotzdem, tritt augenblicklich ein heftiger Speichelfluss und der Impuls zum Ausspucken auf.

Besondere Inhaltsstoffe

Das Wald-Bingelkraut enthält eine komplexe Mischung wirksamer, teils stark reizender und toxischer Inhaltsstoffe, die in traditionellen Anwendungen von äußerlicher Reinigung bis zu drastischen Abführkuren genutzt wurden:

  • Mercurialin: Ein pyridinartiges Alkaloid, das in Blättern und Wurzeln vorkommt. Es wirkt stark reizend auf Magen-Darm-Schleimhäute, regt Peristaltik und Sekretion an, kann aber bei Überdosierung zu schweren Durchfällen, Erbrechen und zentralnervösen Symptomen führen.
  • Bingelstoff (Saponinglykosid): Ein typischer Inhaltsstoff der Pflanze, dessen Name sich von der volkstümlichen Bezeichnung ableitet. Er besitzt oberflächenaktive Eigenschaften, wirkt reizend auf Schleimhäute, blutreinigend und entwässernd. In hoher Dosis toxisch.
  • Gerbstoffe (u. a. Catechine, Gallotannine): Wirken adstringierend, entzündungshemmend, antibakteriell. Sie können lokal Schleimhäute beruhigen und Wundheilung fördern. In Kombination mit den reizenden Stoffen der Pflanze wird diese Wirkung jedoch schnell überlagert.
  • Flavonoide (z. B. Quercetin, Kaempferol): Antioxidative Pflanzenstoffe, die Gefäße schützen und entzündungshemmend wirken. In kleinen Mengen tragen sie zur zellschützenden Wirkung bei, haben jedoch im Gesamtprofil der Pflanze keine herausragende Bedeutung.
  • Ätherisches Öl (in Spuren): Besteht aus Terpenen und sekundären Alkoholen, möglicherweise mit reizender Wirkung. Der Geruch der Pflanze ist markant, leicht unangenehm und bittergrün.
  • Euphorbonartige Harzstoffe: Verwandt mit Inhaltsstoffen anderer Euphorbiaceae – reizen die Haut und Schleimhäute, wirken abführend, können bei äußerlichem Kontakt Rötung oder Blasenbildung hervorrufen.
  • Anthrachinone (vermutet, aber nicht eindeutig belegt): Potenziell an der abführenden Wirkung beteiligt, ähnlich wie bei Rhabarber oder Faulbaum, aber deutlich schärfer in ihrer Wirkung.

Wissenswertes

  • Namensgebung: Der Gattungsname Mercurialis leitet sich vom Gott Merkur ab, der die Heilkräfte des Bingelkrauts entdeckt haben soll.
    Der Artname perennis ist lateinischen Ursprungs und bedeutet "ausdauernd" – ein Hinweis auf die mehrjährige Lebensweise der Pflanze.
    Der deutsche Name „Bingelkraut“ stammt vermutlich aus dem Althochdeutschen und könnte sich auf das „Brennen“ bzw. „Kitzeln“ nach Einnahme beziehen.
    Beim Trocknen der Blätter verfärben sie sich metallisch blauschwarz. Der ebenfalls beim Trocknen entstehende, leicht unangenehme Geruch verhalf dem Bingelkraut zu seinem volkstümlichen Beinamen "Stinkerich".
  • Heilkunde: In der Antike und im Mittelalter wurde das Bingelkraut als Abführmittel, als Mittel zum schnellen Anregen der Monatsblutung, bei Augenbeschwerden und verstopftem Gehörgang verwendet.
    Aufgrund ihrer Toxizität wird sie heute nicht mehr medizinisch verwendet, allenfalls homöopathisch (z. B. gegen Hautausschläge, Lymphstau, Verstopfung).
    In der anthroposophischen Medizin werden Entzündungen, Verbrennungen, schlecht heilende Wunden, Hämorrhoiden, Analfissuren und Augenentzündungen mit Extrakten der Pflanze behandelt.
  • Nutzpflanze: Die Pflanze besitzt keinen direkten Nutzwert für die Ernährung oder Permakultur. Sie ist jedoch ein wichtiger Frühjahrsbodenbedecker in Laubwäldern und dient als Zeigerpflanze für nährstoffreiche, kalkhaltige Standorte.
  • Mythos und Geschichte: Im Mittelalter galt das Bingelkraut als „Merkurskraut“, das geistige Klarheit und körperliche Reinigung fördern sollte. Es wurde zuweilen in reinigenden Fastenkuren oder zur „Austreibung schlechter Säfte“ verwendet. Auch in Kräuterbüchern des 16.–17. Jahrhunderts wurde es als bitteres, aber wirksames Mittel beschrieben.
  • Magie und Brauchtum: Im Mittelalter war das Bingelkraut Bestandteil von Hexensalben, die nach einer alten Rezeptur folgende neun Kräuter enthalten sollten: Mohnkraut, Eisenkraut, Godeskraut (Mercurialis), Hauswurz, Liebfrauenhaar (Mauerraute), Sonnenwende (Heliotropium), Bilsenkraut, Tollkirsche und Sturmhut (Eisenhut).
    Räucherungen mit der Pflanze sollen den Menschen mit seinen innersten Kräften in Verbindung bringen, Blockaden auf sanfte Weise lösen und ihn vor negativen Einflüssen schützen. Das Kraut verströmt einen würzigen, holzig-herben Duft und wird meist in Mischungen verräuchert.
  • Symbolik und spirituelle Deutung: Mercurialis perennis symbolisiert Grenze, Klärung und geistige Wachheit. Sie wird dem Stirn- und Kehlchakra zugeordnet und gilt als Pflanze, die den Intellekt schärfen und alte Belastungen lösen hilft – sowohl körperlich als auch geistig. Spirituell steht sie für die Fähigkeit, Trennendes zu erkennen und die Sprache der Intuition klarer zu empfangen.


→ Siehe auch: Instinktive Ernährung, Die instinktive Sperre, Vorsichtsmaßnahmen bei unbekannten rohen Lebensmitteln