Vitamin B12 in der Rohkost-Ernährung

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Vitamin B12 gehört zu den wenigen Nährstoffen, deren ausreichende Aufnahme selbst bei roher Ernährung nicht ganz einfach ist. Dieser Artikel soll einige Gründe dafür beleuchten.

Allgemeines

Strukturformel von Vitamin B12

Die Sammelbezeichnung Vitamin B12 oder Cobalamin steht für eine Gruppe kompliziert aufgebauter Verbindungen, der sogenannten Cobalamine. Sie bestehen aus einem großen Corrinring, gebildet von vier Pyrrolringen, mit Kobalt als Zentralatom, einem Nucleotidanteil und einer weiteren variablen Gruppe. Man unterscheidet folgende Verbindungen: Hydroxycobalamin, Aquocobalamin, Methylcobalamin und 5'-Desoxyandeolsyl-Cobalamin. Cyanocobalamin kommt in der Natur nicht vor sondern wird für orale Präparate hergestellt.

Im Körper kommt Vitamin B12 in zwei aktiven Formen vor:

  • 5'-Desoxyandeolsyl-Cobalamin ist für die Umlagerung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA, d.h. für die Umlagerung von Alkylresten erforderlich. Fehlt es, kommt es zur Bildung unphysiologischer Fettsäuren.
  • Methylcobalamin katalysiert die Umwandelung von Homocystein zu Methion. Bei einem Mangel kommt es zu einer Störung des Folsäurestoffwechsels mit Störungen der DNA-Synthese und der Hämatopoese (Fachausdruck für Blutbildung).

Vitamin B12 gehört zu den Substanzen, die am längsten im Körper gespeichert werden können, genannt werden Zeiten von 3-5 Jahren. Es wird hauptsächlich in Leber und Nieren, in geringem Maß auch in den übrigen Geweben und Körperflüssigkeiten gespeichert. Der tägliche Bedarf wird mit ungefähr 2-4µg (Mikrogramm) angegeben, kann aber aufgrund von individuellen Lebensumständen weitaus höher sein.

Vorkommen in der Nahrung

Leber vom Wildschwein

Vitamin B12 wird von Mikroorganismen gebildet und kommt ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor, also in Fisch, Fleisch, Eiern und Insekten. Den höchsten Gehalt an Vitamin B12 hat Leber, gefolgt von Niere und Herz. Eine ausführliche Liste findet sich auf der Seite Vitamin-B12-Gehalt von Lebensmitteln.

In geringen Mengen kommt Vitamin B12 auf fäkal verunreinigter pflanzlicher Nahrung vor, beispielsweise auf ungewaschenen Kräutern oder Blättern, die in freier Natur in geringer Höhe wachsen. Erfahrungsgemäß reichen diese Mengen selbst bei häufigem Verzehr von Wildkräutern nicht aus, um die Versorgung mit Vitamin B12 zu gewährleisten, auch deswegen, weil diese Quelle im Winter kaum zur Verfügung steht.

Angebliche pflanzliche Quellen, die immer wieder genannt werden, wie Sanddorn, AFA- und Spirulina-Algen, Sauerkraut, Tempeh usw. enthalten kein wirksames Vitamin B12 sondern unwirksame Analoga (=chemisch ähnliche Substanzen). Dies wurde von Herbert 1988 nachgewiesen. Es gibt über 50 bekannte Cobalamin-Analoga, die überwiegend unwirksam sind oder sogar dem echten Cobalamin entgegenwirken. Die Aussagen über den angeblichen B12-Gehalt pflanzlicher Lebensmittel stammen aus einer Zeit, als die chemische Analysetechnik noch nicht fähig war, zwischen echtem Vitamin B12 und seinen diversen Analoga zu unterscheiden.

Mangelerscheinungen

Ein Mangel an Cobalamin führt dazu, daß bestimmte Stoffwechselreaktionen nicht mehr möglich sind oder entgleisen. Beispielsweise ist Cobalamin wie bereits erwähnt an der Umwandelung von Homocystein in Methionin beteiligt. Fehlt es an B12, so sammelt sich Homocystein im Körper an, weil es nicht abgebaut werden kann. Hohe Spiegel an Homocystein sind mit einer Häufung von Herzbeschwerden assoziiert. Eine ähnliche Konstellation führt dazu, daß sich Methylmalonsäure ansammelt. Diese beiden Substanzen sind daher zusammen mit dem Plasma-Spiegel von Vitamin B12 wichtige Indikatoren für den B12-Status. Die Blutbildung kann ohne B12 nicht ablaufen; ein Mangel führt daher zum Krankheitsbild der Anämie (umgangssprachlich: Blutarmut).

Ein Vitamin B12 Mangel kann sich auf makroskopischer Ebene auf vielfältige Weise bemerkbar machen. Allgemeine Symptome sind körperliche Schwäche, Müdigkeit, Apathie, Pigmentstörungen der Haut, Unfruchbarkeit, beschleunigte Alterung und Infektanfälligkeit. Es können verschiedene neurologische Störungen auftreten, zum Beispiel Taubheitsgefühl, Kribbeln und Prickeln in verschiedenen Körperteilen, Schäden am Sehnerv und an der Netzhaut, Symptome die an Multiple Sklerose oder Parkinson erinnern und andere. Auch Herz und Kreislaufsystem sind durch einen Mangel betroffen: niedriger Blutdruck sowie eine erhöhte Thrombose- und Emboliegefahr können die Folge sein.

Außerdem kommt es oft zu geistigen Störungen und Erkrankungen. Neben Persönlichkeitsveränderungen lassen sich Reizbarkeit, Nervosität, Verlust der Selbstkontrolle, Gewalttätigkeit, verminderte Streßtoleranz, Gedächtnissschwäche, krankhaftes Mißtrauen, Depressionen und Wahnvorstellungen feststellen.

Selbstverständlich treten nicht alle Symptome gleichzeitig auf.

Speziell bei Rohköstlern kann aufgrund schwacher Magensäure die Aufnahme von Vitamin B12 und Eisen gestört sein, so daß es zur Entwicklung einer Anämie kommt. In deren Verlauf kommt es zu einer bakteriellen Überwucherung von Magen und Dünndarm, die die Aufnahme von Vitamin B12 nunmehr völlig unmöglich macht sowie zum Auftreten bakteriell produzierter B12-Analoga, die den Mangel verschlimmern. Bei Kleinkindern macht sich diese fatale Entwicklung im Endstadium durch permanentes Erbrechen bemerkbar, das unbehandelt mit dem Tod endet, siehe dazu den Bericht: Sackgasse vegane Rohkost. Die einzige Lösung ist an dieser Stelle die parenterale Zufuhr von Cobalamin, d.h. über Spritzen. Erwachsene bemerken die sich entwickelnde Anämie meist bevor sie bedrohlich wird und können Gegenmaßnahmen ergreifen, dazu weiter unten mehr.

Beobachtungen an Rohköstlern lassen die Tendenz erkennen, daß Männer einen B12-Mangel früher bemerken und als beeinträchtigend empfinden als Frauen.

Feststellung des B12-Status

Der Status für Vitamin B12 wird durch einen Bluttest ermittelt. Der medizinische Normalwert im Blutserum wird mit 200-1000 pg/ml für Erwachsene angegeben. Messungen bei Rohköstlern zeigen in den meisten Fällen einen grenzwertigen oder zu niedrigen Plasmaspiegel. Dies kann mehrere Gründe haben:

  • die Werte der Medizin sind für Rohköstler nicht relevant
  • die Werte sind relevant und Rohköstler neigen zu einem Mangel an B12
  • die Werte sind relevant und Rohköstler essen zu wenig tierische Lebensmittel

Welcher der Gründe zutrifft, konnte bisher nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Zusätzlich zu einem B12-Test empfiehlt sich daher die Feststellung der Werte von Homocystein und Methylmalonsäure. Sind diese Werte erhöht, dann liegt höchstwahrscheinlich ein echter B12-Mangel vor.

Ferner ist die Beobachtung des eigenen Gesundheitszustandes zu empfehlen. Wenn man sich gesund und kräftig fühlt, körperlich und geistig belastbar ist und die Verdauung einwandfrei funktioniert, dann sind etwaige niedrige Meßwerte höchstwahrscheinlich irrelevant. Zeigen sich jedoch erste Zeichen eines Mangels, wie etwa verringerte geistige Leistungsfähigkeit, Vergeßlichkeit, Schwäche oder Blässe, dann sollte man die Möglichkeit eines echten Mangels in Erwägung ziehen und gegensteuern.

Es ist eine generelle Beobachtung, daß die meisten Varianten der Rohkost-Ernährung dem Verzehr tierischer Lebensmittel abgeneigt sind oder sogar feindselig gegenüberstehen und tierische Lebensmittel selbst dann, wenn sie Bestandteil der jeweiligen Rohkost-Variante sind, oft nur in geringen Mengen verzehrt werden. Die Gründe hierfür liegen im psychologischen Bereich und entziehen sich meistens einer rationalen Herangehensweise.

Vegane oder vegetarische Rohkost-Ernährung führt bei Erwachsenen in den meisten Fällen innerhalb von 1-2 Jahren zu einem Mangel an Vitamin B12 und diversen weiteren Substanzen, u.a. Eisen, Zink, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Bei Kindern treten Mangelerscheinungen wesentlich schneller auf und können innerhalb kürzester Zeit gefährlich werden.

Aufnahme

Aufnahme aus der Nahrung

Die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung ist recht kompliziert. Der Mundspeichel enthält Vitamin-B12-bindende Enzyme, die sogenannten Haptocorrine, auch R-Binder genannt. Der dadurch gebildete Komplex ist magensaftresistent. An Nahrungsproteine gebundenes B12 wird durch die Magensäure freigesetzt und anschließend zum größten Teil an Haptocorrine und der Rest an den sogenannten Intrinsic-Factor (IF) gebunden. Im oberen Dünndarm erfolgt eine Umlagerung an den IF. Dieser wird von den Beleg- oder Parietalzellen der Magenschleimhaut gebildet. Im unteren Dünndarmabschnitt wird der IF-B12-Komplex über einen Rezeptor auf der Membranoberfläche der Darmzellen intrazellulär aufgenommen. In den Zellen wird der Komplex abgebaut und Vitamin B12 an ein drittes Protein, das Transcobalamin (TC) übertragen. Diese Verbindung wird als Holotranscobalamin (HoloTC) bezeichnet und gelangt über die Pfortader in die Blutbahn. Sie kann über den auf allen Zellen vorhandenen TC-Rezeptor aufgenommen werden.

Es gibt einen aktiven und einen passiven Mechanismus der Resorbtion von B12. Der aktive Mechanismus schwächt sich bei höheren Mengen an zugeführtem B12 immer mehr ab, während der passive Mechanismus zwar nur geringe Mengen resorbiert, diese jedoch bei steigender Zufuhr immer weiter zunehmen. Diese Tatsachen sprechen dafür, Lebensmittel, die Cobalamin enthalten, besser häufig in kleinen Mengen zu sich zu nehmen, statt selten große Mengen zu verzehren.

Im Kontext einer rohen Ernährung ist zu beachten, daß die Aufnahme von Vitamin B12 das Vorhandensein von Magensäure voraussetzt. Normalerweise würde Magensäure zur Verdauung der tierischen Lebensmittel freigesetzt, in denen B12 enthalten ist. Jedoch kann es bei roher Ernährung infolge von Salzmangel passieren, daß die Magensäure zu schwach ist, siehe dazu den Artikel Salz in der Rohkost-Ernährung. Nach einer Erhöhung der Salzzufuhr baut sich die Magensäure schnell wieder auf und die Aufnahme von Vitamin B12 funktioniert wieder.

Wenn einmal ein schwerer Mangel an Vitamin B12 eingetreten ist, kann es recht lange dauern, diesen durch die Zufuhr B12-haltiger Lebensmittel zu beheben und die Speicher aufzufüllen. Beobachtet wurden Zeiten von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Langfristig ist es sinnvoll, tierische Lebensmittel in gleicher Weise wie pflanzliche Lebensmittel in die Nahrungsauswahl einzubeziehen, insbesondere Innereien wie Leber, Niere und Herz, die große Mengen an Cobalamin enthalten. Man sollte sich jedoch nichts aufzwingen, nur weil es einen hohen B12-Gehalt hat, sondern im Zweifelsfall den Ernährungsinstinkt entscheiden lassen, von welchem Lebensmittel man wieviel ißt, siehe dazu das Kapitel Instinktive Ernährung.

Präparate

Mit Spritzen können die akuten Folgen eines schweren Mangels an Vitamin B12 schnell gelindert werden. Es gibt sie mit dem Wirkstoff Methylcobalamin und Hydroxycobalamin. Sie unterscheiden sich in der Geschwindigkeit, mit der sie resorbiert und in körpereigenes Cobalamin umgewandelt werden. Eine Empfehlung kann hier nicht gegeben werden.

Ob orale Präparate oder Spritzen die Behebung eines Mangels an Vitamin B12 beschleunigen können, wenn man sie über einen Zeitraum von Monaten oder Jahren verwendet, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar. In jedem Fall kann es passieren, daß durch die Einnahme eines B12-Präparats die Zufuhr natürlicher Lebensmittel blockiert wird, die viel Vitamin-B12 enthalten, d.h. diese Lebensmittel sind nur noch in kleinen Mengen oder gar nicht mehr verzehrbar. Generell tendieren Beobachtungen von Rohköstlern dahin, daß Präparate unangenehme Nebenwirkungen haben können und bei weitem nicht so wirksam sind wie rohe Lebensmittel, die die gewünschte Substanz enthalten.

Im Kontext einer rohen Ernährung ist es ein sinnloses Vorgehen, Lebensmittel aus der Lebensmittelpalette auszuschließen und sie durch Präparate zu ersetzen. Dies ist schon deswegen nicht möglich, weil bis heute nicht alle lebensnotwendigen Substanzen erforscht sind - und wenn eine Substanz nicht bekannt ist, kann man kein Präparat dafür nehmen.

Aufnahme über die Muttermilch

Vitamin B12 kommt in der Muttermilch vor. Jedoch ist es nur dann in ausreichender Menge enthalten, wenn die Mutter selbst gut versorgt ist. Eine voll stillende Mutter, die einen B12-Mangel hat, wird diesen Mangel innerhalb kurzer Zeit auf ihr Kind übertragen, oft mit schweren Folgen, weil Kinder noch keinen Langzeit-Speicher für dieses Vitamin besitzen.

Eigenproduktion?

Obwohl es immer wieder Gerüchte gibt, der Mensch stelle das von ihm benötigte Cobalamin selbst im Darm her, erweisen sich diese Aussagen bei genauerer Betrachtung als unhaltbar. Es ist richtig, daß der Mensch so wie andere Säugetiere in seinem Dickdarm Bakterien beherbergt, die Vitamin B12 produzieren. Wie jedoch weiter oben erläutert wurde, muß B12 im Magen gebunden werden und wird im Dünndarm aufgenommen, der sich im Verdauungssystem vor dem Dickdarm befindet. Das im Dickdarm produzierte B12 kann folglich nicht aufgenommen werden, es sei denn, man verzehrt fäkal verunreinigte Lebensmittel (siehe oben) oder den eigenen Kot. In der Tat wurden Gorillas in freier Natur hin und wieder beim Kotfressen beobachtet. Es ist gut möglich, daß sie als überwiegende Pflanzenfresser auf diese Weise ihre Versorgung mit selbstproduziertem Vitamin B12 bewerkstelligen. Für die meisten Menschen dürfte diese Möglichkeit aus kulturellen Gründen entfallen.

Erhöhter Verbrauch

Es gibt einige Umstände der modernen Lebensweise, die zu einem stark erhöhten Verbrauch von Vitamin B12 führen. Diese sind:

  • Belastung mit Schwermetallen aus Zahnfüllungen
  • Streß
  • Alkoholkonsum (dürfte bei Rohköstlern als Grund entfallen)

Der erste Punkt ist ein Grund dafür, daß in dem Artikel Rohkost und Entgiftung empfohlen wird, giftige Zahnfüllungen bei Beginn der Ernährungsumstellung auf Rohkost entfernen zu lassen. Eine Metallbelastung kann jahrelang zu einem erhöhten Bedarf an Vitamin B12 führen, weil es durch Metalle oxidativ zerstört wird.

Die heutige gehetzte Lebensweise führt ebenfalls zu einem hohen Verbrauch von Vitamin B12.

Im Zuge des Entgiftungsprozesses nach der Umstellung auf Rohkost muß man damit rechnen, daß Vitamin B12 genau wie viele andere Nährstoffe in erhöhtem Maß benötigt wird, siehe dazu den Artikel Rohkost und Entgiftung.

Referenzen

Artikel und Studien

Literatur

Wolfgang Bayer und Karlheinz Schmidt: Vitamine in Prävention und Therapie.
Hippokrates Verlag 1991, 311 Seiten. ISBN 3-7773-0999-0

Informationen im Internet