Antinährstoffe in der Rohkost
Definition
Antinährstoffe sind natürlich vorkommende Substanzen in Lebensmitteln, die die Aufnahme, Verwertung oder Funktion von Nährstoffen im menschlichen Körper beeinträchtigen können. Sie kommen insbesondere in pflanzlichen, aber auch in einigen tierischen Lebensmitteln vor.
Antinährstoffe sind nicht grundsätzlich „schädlich“ – viele von ihnen entfalten bei geringer Aufnahme sogar nützliche Wirkungen, etwa antioxidative, antikanzerogene oder cholesterinsenkende Effekte. Problematisch wird es jedoch, wenn bestimmte Substanzen in zu großen Mengen aufgenommen werden oder der Körper bereits unterversorgt ist.
Pflanzliche Antinährstoffe
Pflanzen produzieren Antinährstoffe primär als Schutz vor Fressfeinden und zum Erhalt ihrer Samen. Die Konzentration antinutritiver Substanzen ist je nach Pflanze, Sorte, Reifegrad und Verarbeitung unterschiedlich hoch. Die wichtigsten Gruppen pflanzlicher Antinährstoffe sind:
- Phytinsäure: Hemmt die Aufnahme von Mineralstoffen wie Eisen, Zink, Calcium und Magnesium. Enthalten in Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen.
- Oxalsäure: Bildet mit Calcium schwer lösliche Komplexe, kann Nierensteine begünstigen. Vorkommen: Rhabarber, Spinat, Mangold, Rote Bete, Kakao.
- Lektine: Können die Darmschleimhaut schädigen und die Nährstoffaufnahme stören. Besonders in rohen Hülsenfrüchten wie Bohnen enthalten.
- Saponine: Wirken oberflächenaktiv, können Zellmembranen beeinflussen. Kommen z.B. in Quinoa, Soja und Hülsenfrüchten vor.
- Protease-Inhibitoren: Hemmen eiweißspaltende Enzyme im Magen-Darm-Trakt. In Soja, Kartoffeln und Getreidekörnern enthalten.
- Glucosinolate: In Kreuzblütlern (z. B. Brokkoli, Kohl) enthalten, hemmen in großen Mengen die Schilddrüsenfunktion.
- Salicylate, Tannine, Bitterstoffe: Können bei empfindlichen Personen pseudoallergische Reaktionen auslösen oder die Eiweißverdauung hemmen.
Tierische Antinährstoffe
Auch in tierischen Lebensmitteln kommen antinutritive Substanzen vor, wenn auch seltener:
- Avidin: Kommt in rohem Eiklar vor und bindet Biotin (Vitamin B7), was zu Mangelerscheinungen führen kann.
- Thiaminase: Enthalten in einigen rohen Fischen und Muscheln, zerstört Vitamin B1.
- Purine: Hoher Konsum (z. B. aus Innereien) kann zur Bildung von Harnsäure und Gicht führen.
- Gesättigte Fettsäuren und Cholesterin: Können in sehr hohen Mengen Stoffwechselprozesse belasten, sind aber keine klassischen Antinährstoffe im engeren Sinne.
Schutz durch instinktive Rohkost
Die instinktive Rohkost schützt weitgehend vor übermäßiger Aufnahme antinutritiver Stoffe, weil jedes Lebensmittel einzeln gegessen wird und durch den Instinkt – insbesondere durch Geruchs- und Geschmackssättigung – eine natürliche Begrenzung erfolgt. Besonders intensiv schmeckende Lebensmittel wie Spinat, Mangold oder rohe Bohnen werden bei Übermaß spontan als unangenehm empfunden und abgelehnt.
Verarbeiten und Mischen von rohen Lebensmitteln
Bei Rohkostformen, bei denen viele Lebensmittel gemischt oder verarbeitet werden (z. B. Rohkostkuchen, grüne Smoothies, Cracker, Müslis), entfällt dieser natürliche Regulationsmechanismus weitgehend. Dadurch kann es leicht zu einer Überdosierung antinutritiver Substanzen kommen, insbesondere wenn stark oxalsäure- oder phytinsäurehaltige Lebensmittel kombiniert und in größeren Mengen verzehrt werden.
Reduktion von Antinährstoffen
Einige traditionelle Zubereitungsmethoden helfen, den Gehalt an Antinährstoffen zu verringern:
- Einweichen: Reduziert Phytinsäure und Lektine, besonders in Hülsenfrüchten und Nüssen.
- Keimen/Sprossen ziehen: Verringert Phytinsäure und erhöht die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen.
- Fermentation: Führt zum enzymatischen Abbau von Antinährstoffen.
- Kochen: Reduziert Oxalsäure, Lektine und Saponine (Kochwasser sollte nicht mitverzehrt werden).
Fazit
Antinährstoffe sind natürliche Bestandteile vieler Pflanzen und dienen oft deren Selbstschutz. Für gesunde Menschen sind sie in normaler Menge meist unproblematisch. Eine abwechslungsreiche Ernährung mit naturbelassenen Lebensmitteln minimiert mögliche negative Effekte. Die instinktive Rohkost bietet darüber hinaus durch das bewusste Einzelessen einen potenziellen Schutz vor übermäßiger Aufnahme.
Literatur
- Dr. Steven R. Gundry: Böses Gemüse
Wie gesunde Nahrungsmittel uns krank machen. Lektine, die versteckte Gefahr im Essen
Beltz, 7. Edition (20. Juli 2018), 392 Seiten. ISBN 3-407-86561-9
Buchbesprechung und Kapitelübersicht